Entstehung der Höfeordnung

Die Höfeordnung (HöfeO) unter dieser Bezeichnung geht zurück auf das Jahr 1947:

Ausgangspunkt ist zunächst die Zeit des Nationalsozialismus. Im Streben nach weiterer Rechtsvereinheitlichung, wie durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) zum 01.01.1900 begonnen, wurde auch das „Landwirtschafts(erb)recht“ für ganz Deutschland einheitlich im Reichserbhofgesetz (REG) vom 29.09.1933 geregelt. Dieses landwirtschaftliche Sonder(erb)recht war aber sowohl im Wortlaut als auch der Systematik in besonderer Weise geprägt von der „Blut und Boden“ Ideologie. In der Präambel und § 13 REG heisst es exemplarisch

  • „Die Reichsregierung will unter Sicherung alter deutscher Erbsitte das Bauerntum als Blutquelle des deutschen Volkes erhalten.“
  • „§ 13. Erfordernis deutschen oder stammesgleichen Bluts. (1) Bauer kann nur sein, wer deutschen oder stammesgleichen Blutes ist. (…)“

Die alliierten Besatzugsmächte waren u.a. bestrebt, dieses vom Nationalsozialismus ideologisch stark geprägte REG „abzuschaffen“. Aufgrund des Gesetzes Nr. 45 des Kontrollrates vom 20.02.1947 wurde das REG aufgehoben.

Nordwestdeutschland – mit Ausnahme Bremens – war zu dieser Zeit britische Besatzungszone. Die britische Militärregierung setzte am 24.04.1947 mit der Verordnung Nr. 84 für die Länder der britischen Besatzungszone die HöfeO in Kraft gesetzt: Die HöfeO entstand in der Nachkriegszeit und ist das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Vertretern der britischen Militärregierung und deutschen Vertretern, u.a. Oberlandesgerichtsrat Dr. Otto Wöhrmann vom OLG Celle. Wöhrmann (sen.) war später Verfasser eines Kommentars zur HöfeO: Eine genauere und fundierte Darstellung zur „Vorgeschichte“ der HöfeO und zu den einzelnen Verhandlungen kann daher nachgelesen werden bei Wöhrmann, Landwirtschaftsrecht, 2. Auflage /  1966, S. 11 ff., unter „Kommentar zur HöfeO / Vorbemerkungen“ (oder entsprechend in der 1. Aufl., 1951).

In seinem Ursprung ist die HöfeO also „Besatzungsrecht“ der britischen Zone, das aber später als partielles Bundesrecht in den heutigen Bundesländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein fortgalt.

Die grundlegenden Ansätze der HöfeO,  die Sondererbfolge bei der Vererbung von Höfen und die Regelungen zur Erbauseinandersetzung mit den weichenden Erben, stammen  aber aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus: Schon vor Geltung des REG gab es in Deutschland Gegenden, in denen es bereits seit dem 18. Jahrhundert „Brauch“ bzw. Tradition war, dass nur eines von mehreren Kindern den Hof erben konnte. Die Höfeordnung setzt daher eine „Tradition“ fort, einen „Brauch“, der in den landwirtschaftlichen Kreisen schon seit dem 18. Jahrhundert bestand.

Abweichend vom allgemeinen Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sieht die Höfeordnung als Sondererbrecht vor, dass der landwirtschaftliche Betrieb unmittelbar nur auf einen (wirtschaftsfähigen) Familienangehörigen übergehen kann. Damit der Hoferbe den Betrieb zu tragbaren Bedingungen übernehmen und fortführen kann, soll der Hoferbe aber nicht den „regulären“ Erb- und Pflichtteilsansprüchen nach dem Verkehrswert des Hofes ausgesetzt sein: Stattdessen wird der landwirtschaftliche Betrieb mit einem erheblich niedrigeren Wert für die Erbauseinandersetzung bewertet, heute dem Hofeswert (= 1,5-facher Einheitswert). Ursprünglich war das in der HöfeO von 1947 bis 1976 der (einfache) Einheitswert, ein steuerlicher Ertragswert nach dem Bewertungsgesetz (BewG). Der Einheitswert war schon früher gerade in der Landwirtschaft ermittelt worden, um aus Gründen der „Steuergerechtigkeit“ die in der Landwirtschaft bestehenden unterschiedlichen „Standortfaktoren“, wie Bodenqualität, Zuschnitt der Flächen, klimatische Bedingungen, Zuwegung zur Fläche (Arondierung), Nähe der Flächen zur Hofstelle (etc.) bei der Erhebung von Steuern zu berücksichtigen.

Weil heute wie damals der in der Landwirtschaft erzielbare Ertrag bzw. „die Verzinsung des Kapitals“ gegenüber der „gewerblichen Wirtschaft“ erheblich geringer war bzw. ist, wollte man eben wegen der teilweise erheblichen Unterschiede der Standortbedingungen einen tatsächlich möglichen Ertrag nach steuerlichen Maßstäben ermitteln.

Nach der HöfeO (1947 / 1964) erhalten die weichenden Erben zunächst einmal einen Abfindungsanspruch auf der Grundlage des gegenüber dem Verkehrswert erheblich niedrigeren Einheits- bzw. daraus abgeleiteten Hofeswertes. Als (kleinen)  „Ausgleich“ für diese Benachteiligung haben die weichenden Erben aber einen Anspruch auf Ergänzung der Abfindung bzw. einen sogenannten Nachabfindungsanspruch, wenn der Hoferbe den Hof innerhalb von 15 Jahren vollständig oder wesentliche Teile hiervon veräußert, ohne den Erlös wieder in den Hof zu reinvestieren (so stark vereinfacht! die Regelung in § 13 HöfeO in der bis zum 30.06.1976 geltenden Fassung).

Die letzte große und 2. Novellierung der HöfeO fand im Jahre 1976 statt. Wesentliche Änderung für die Ansprüche der weichenden Erben war die „Anhebung“ der Abfindungsgrundlage , die auf das Eineinhalbfache des Einheitswertes (Hofeswert) festgelegt wurde. Die Zeit der Nachabfindung der weichenden Erben wurde von 15 auf 20 Jahre verlängert (§ 13 HöfeO). Weitere wesentliche Änderung war die Einführung des sogenannten fakultativen Höferechts, d.h. der Hofeigentümer kann frei wählen, ob für die Erbfolge in den landwirtschaftlichen Betrieb die Höfeordnung oder die allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gelten sollen. Vor 1976  war die Höfeordnung als Zwangsanerbenrecht ausgestaltet, so dass der Hofeigentümer keine Wahl bzgl. der Vererbung des landwirtschaftlichen Betriebes hatte: Es galt grundsätzlich die Höfeordnung. Zunächst nur in Teilen des Landes NRW war durch die Verordnung über die Aufhebung der Hofeigenschaft NW vom 4. März 1949 den ursprünglich in den OLG-Bezirken Köln und Düsseldorf ansässigen Eigentümern landwirtschaftlicher Betriebe gestattet, die Höfeordnung „abzuwählen“. Nach der Verordnung des Landes NRW vom 28.10.1971 (GVBl. NW S. 437) galt dies auch für den OLG Bezirk Hamm und damit im gesamten Lande NRW.

Nach 1976 sind keine wesentlichen Änderungen der HöfeO erfolgt, allenfalls Anpassungen an die aktuelle Gesetzeslage, wie z.B. das Betreuungsgesetz, die Einführung des Euro (etc.).

In den letzten Jahrzehnten hat sich das Bild der bäuerlichen Familie erheblich verändert. Damit hat sich auch der für die Anwendung der Höfordnung maßgebende Sachverhalt erheblich verändert:

Im 19. Jahrhundert bis in die 60er / 70er Jahre war die Familie des Hofeigentümers reich an Kindern, zumal in der seinerzeit sehr personalintensiveren Landwirtschaft auch mehr Arbeitskräfte benötigt wurden: Kinder wurden regelmäßig zur Mitarbeit auf dem Hof herangezogen. Trotzdem konnte und sollte nur eines der Kinder den Hof ungeteilt erben und fortführen, während die Geschwister als weichende Erben das „Nachsehen“ hatten. Der Streit darum, wer von den Kindern Hoferbe wird, hatte seinerzeit eine wesentlich höhere Bedeutung, insbesondere dann, wenn die anderen Kinder keine Ausbildungen und Berufe außerhalb der Landwirtschaft ergriffen bzw. aufgrund des seinerzeitigen Bildungssystems nicht ergreifen konnten.

Heute dagegen sind die bäuerlichen Familien vergleichweise klein: Wer Hoferbe wird, steht relativ früh fest bzw. hierüber wird eher selten „gestritten“. Die weichenden Erben ergreifen durch die Wahl ihrer Ausbildung häufig frühzeitig einen Beruf außerhalb der Landwirtschaft und sind dadurch zunächst einmal für die Zukunft abgesichert bzw. wirtschaftlich unabhängig(er) vom Hof.

Wenn es heute zu Auseinandersetzungen im Rahmen der Hoferbfolge und damit der Anwendung der Höfeordnung kommt, so wird häufiger – nur noch – um Geld gestritten: Zu welchen Bedingungen soll der Hoferbe den Hof bekommen?

  • Welche Abfindungen an die weichenden Erben sind zu zahlen?
  • Wie umfangreich soll oder darf das Altenteil sein?
  • Werden die weichenden Erben im Falle einer später eintretenden Pflegebedürftigkeit der Altenteiler und Unterbringung im Pflegeheim wohlmöglich von finanziellen Belastungen freigestellt?
  • Können weichende Erben Ansprüche auf Nachabfindung geltend machen, weil der Hoferbe später Teile des Hofes (Grundstücke, Hofzubehör) veräußert, z.B. weil er den Betrieb umstellen möchte oder muß?

Das spiegelt sich auch in der Praxis der Beratung und in den veröffentlichten Entscheidungen der Gerichte wieder.

Verfasser / © Dr. Jobst-Ulrich Lange
Stand: 8/2008 – 8/2018