Der Bauer / Landwirt in Nordwestdeutschland (NRW, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg) hat bei der Vererbung seines landwirtschaftlichen Betriebes verschiedene Möglichkeiten, wie sein Betrieb auf seinen favorisierten Erben übergehen kann:
- die Vererbung seines Hofes nach der Höfeordnung (HöfeO) ,
- Vererbung seines landwirtschaftlichen Betriebes nach den Regeln des Landguterbrechts (§§ 2049, 2312 BGB) , wobei der Betrieb mit dem (betriebswirtschaftlichen) Ertragswert zu bewerten ist,
- Vererbung seines landwirtschaftlichen Betriebes – wie auch seines übrigen Vermögens – nach dem BGB (Bewertung des Betriebes nach dem Verkehrswert ).
Seit der Novellierung der Höfeordnung im Jahre 1976 können Hofeigentümer frei wählen, ob sich die Vererbung des landwirtschaftlichen Betriebes nach der Höfeordnung oder den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) richten soll. In vielen Fällen entspricht die Erbfolge nach der Höfeordnung den Vorstellungen des Hofeigentümers, wenn der landwirtschaftliche Betrieb auf einen Erben übergehen und dieser den Hof weiterbewirtschaften soll. In Einzelfällen kann es durchaus sinnvoll sein, auch die Alternativen in Betracht zu ziehen.
Beispiel:
Der verwitwete Hofeigentümer hat einen Sohn (Landwirt) und eine Tochter (Industriekauffrau). Der Hof einen Einheitswert von 40.000 € und einen Verkehrswert von 1 Mio. €, der Ertragswert soll (unterstellt) 100.000 € betragen. Weiteres Vermögen / hoffreies Vermögen ist nicht vorhanden. Der Erblasser bestimmt seinen Sohn zum Hoferben.
1. Erbfolge nach der HöfeO
Ist auf dem Grundbuchblatt des Hofes der Hofvermerk eingetragen, so richtet sich die Erbfolge in den Hof nach der Höfeordnung, es sei denn, deren weitere Voraussetzungen (Hofeigenschaft / Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben) liegen nicht vor.
Das Landwirt kann „wählen“, ob er den Hofvermerk im Grundbuch bestehen lässt oder ob ihn löschen lässt.
Hier / Beispielsfall:
Sohn S wird Hoferbe und hat an seine Schwester vom Hofeswert (40.000 € x 1,5 =) 60.000 € eine Abfindung in Höhe von 30.000 € zu zahlen.
Die Voraussetzungen der Hoferbfolge sind zunächst erheblich strenger, dafür erhält der Hoferbe den Hof zum Hofeswert, ist aber evtl. 20 Jahre lang den Nachabfindungsansprüchen der weichenden Erben ausgesetzt.
Vorteile der HöfeO
Der Hoferbe erhält den Hof finanziell zu erheblich günstigeren Bedingungen / Abfindungen nach dem Hofeswert, aber wenn er den Hof ganz oder teilweise verkauft, ist er 20 Jahre lang evtl. eintretenden Nachabfindungsansprüchen ausgesetzt, wenn er nicht den Erlös in den Betrieb reinvestiert
Nachteile der HöfeO
Die engen Voraussetzungen der HöfeO (Hofeigenschaft / Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben) müssen zum Zeitpunkt des Erbfalls vorliegen, auch wenn der Hofeigentümer seinen letzten Willen z.B. 15 Jahre vor seinem Tode verfasste. Gerade im Falle lange zurückliegender Testamente / Erbverträge können sich bis zum Erbfall die tatsächlichen Bedingungen des Hofes stark ändern, bedingt durch den erheblichen Strukturwandel in den letzten Jahren. Nicht selten gibt der Hofeigentümer die Bewirtschaftung dann doch auf, was dann im Erbfall bzgl. des Hofes zu Streit der Erben über die Hofeigenschaft führen kann.
Also: Der Eintrag des Hofvermerks ist keine Garantie dafür, dass der Hof dann im Erbfall tatsächlich nach den Vorzugsbedingungen der Höfeordnung vererbt wird.
2. Erbfolge nach dem BGB – Landguterbrecht
Kommt die Höfeordnung für die Vererbung des landwirtschaftlichen Betriebes nicht zur Anwendung, so richtet sich die Vererbung nach den allgemeinen Regeln des BGB.
Das hat zunächst zur Folge, dass das landwirtschaftliche Betriebsvermögen mit evtl. weiteren vorhandenen Nachlassgegenständen in den allgemeinen Nachlass fällt, der wiederum regelmäßig im Wege der Gesamtrechtsnachfolge / Universalsukzession auf die Erbengemeinschaft übergeht.
Hier / Beispielsfall:
Der landwirtschaftliche Betrieb geht zusammen mit dem übrigen Nachlass zunächst einmal auf die Erbengemeinschaft, bestehend aus Sohn S und Tochter T über. Diese Erbengemeinschaft muss sich anschließend im Wege der Erbauseinandersetzung – auch bei Vorliegen eines Testamentes – einigen, wobei durch die Anordnung des Erblassers der Sohn S das landwirtschaftliche Vermögen erhält.
Grundsätzlich ist ein Nachlassgegenstand mit dem sogenannten „gemeinen Wert“ bzw. dem Verkehrswert zu bewerten bei der Erbauseinandersetzung. Eine Ausnahme hiervon sieht das BGB in den Regelungen zum „Landguterbrecht“ (§§ 2049, 2312 BGB) vor. Danach ist das Landgut mit dem Ertragswert zu bewerten, wenn der Erblasser das angeordnet hat. Eine solche „Anordnung“ erfolgt regelmäßig mit einem Testament oder ggf. einem Erbvertrag mit dem Erben des Landgutes.
Zunächst liegt der Eindruck nahe, dass ein „Landgut“ etwas mit einem flächenmäßig großen „Gut“ zu tun hat. Das ist aber nicht zutreffend: Landgut in diesem Sinne ist regelmäßig ein landwirtschaftlicher Betrieb, insbesondere dann, wenn er auch die Voraussetzungen eines Hofes im Sinne der HöfeO erfüllt.
Der Personenkreis derer, die der Erblasser durch ein solches Übernahmerecht begünstigen kann ist letztendlich durch § 2312 Abs. 3 BGB beschränkt: Danach kann das „Privileg“ des Ertragswertes bzw. der Übernahme des Landgutes zum Ertragswert nur eine Person in Anspruch nehmen, die Pflichtteilsberechtigter des Erblasser ist: Das sind in der Regel nur dessen Abkömmlinge oder dessen Ehegatte und evtl. auch die Eltern des Erblassers.
Hier / Beispiel:
Sohn S erbt den Hof. Da der Hof mit dem Ertragswert zu bewerten ist, an dem nach der unterstellten Anordnung des Erblassers beide Kinder zu gleichen Teilen beteiligt sind, hat S an seine Schwester 50.000 € zu zahlen.
Der Erblasser kann aber auch einen anderen (niedrigeren / höheren) Wert – als den Ertragswert – als „Übernahmepreis“ anordnen, allerdings sind ihm hier die Schranken des Pflichtteilsrechts gesetzt (§ 2312 BGB): Die Abkömmlinge und auch der Ehegatte, die nicht Erben des Landgutes werden, sind zumindest mit dem Pflichtteil am Ertragswert zu beteiligen.
Hat der Erblasser kein Testament hinterlassen, so liegt keine Anordnung im Sinne der §§ 2049, 2312 BGB vor. Dann käme es auf den Verkehrswert an, es sei denn, Sohn S könnte sich auf die erbrechtlichen Regelungen des Grundstückverkehrsgesetzes (GrdStVG) in den §§ 13 ff. berufen: Danach könnte S ebenfalls erreichen, dass er Erbe des landwirtschaftlichen Betriebes wird und dieser Betrieb mit dem Ertragswert (wie vor) zu bewerten ist.
Kommt auch das GrdStVG nicht zur Anwendung, so ist der Hof mit dem Verkehrswert zu bewerten. Sohn S könnte die Übertragung des Betriebes auf sich verlangen, hätte aber im Wege der Erbauseinandersetzung an seine Schwester 500.000 € zu zahlen.
Dieser „Übernahmepreis“ zum Ertragswert benachteiligt regelmäßig die weiteren Abkömmlinge und den Ehegatten des Erblassers: Deshalb ist nach der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Artikel 3 Abs. 1 GG als „ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal“ der Ertragswert nur dann als Benachteiligung der anderen Pflichtteilsberechtigten sachlich gerechtfertigt, solange das „agrarpolitische Interesse am Erhalt leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe in einer Hand“ gerechtfertigt ist. Wird ein landwirtschaftlicher Betrieb im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr bewirtschaftet, so muss die begründete Erwartung bestehen, dass der stillgelegte Betrieb durch den Eigentümer oder einen seiner Abkömmlinge wieder aufgenommen wird.
Vorteile des BGB-Landguterbrechts
- es gelten nicht die engen Voraussetzungen der Höfeordnung bei der Erbfolge (z.B. Wirtschaftsfähigkeit)
- es besteht keine Nachabfindungspflicht des Erben, es sei denn, eine solche wird vom Erblasser angeordnet
- im Falle einer lebzeitigen Übertragung durch Übergabevertrag (ohne Beteiligung der anderen Pflichtteilsberechtigten) gilt die 10 Jahresfrist, d.h. verstirbt der Erblasser nach Ablauf von 10 Jahren nach der Übertragung,
- können die anderen Pflichtteilsberechtigten bzgl. des Landgutes keine Pflichtteilsergänzungsansprüche mehr gegen den Übernehmer des Landgutes geltend machen,
- kann die Übertragung des Landgutes nach dem Schenkungsrecht nicht mehr wegen Verarmung des Schenkers widerrufen werden: Das wird oft als Schutz vor dem Regress des Sozialhilfeträgers / Sozialamtes angesehen, wenn Pflegebürftigkeit des Übergebers des Landgutes später eintreten sollte.
Nachteile des BGB-Landguterbrechts
- Für die Ermittlung des – jeweils aktuellen – Ertragswertes ist regelmäßig das Gutachten eines landwirtschaftlichen Sachverständigen erforderlich: Bei der Hoferbfolge nach der Höfeordnung wird das dadurch „erspart“, dass der Hofeswert aus dem Einheitswert zugrunde gelegt wird.
- Gerade weil nach der gesetzlichen Regelung des Landguterbrechts keine Nachabfindungspflicht für Fälle einer späteren Veräußerung von Grundstücken (etc.) besteht, wird häufig bereits beim Erbfall darum gestritten, ob Teile der Grundstücke z.B. als Bauland und daher höher zu bewerten sind, oder dass die Aufnahme eines stillgelegten Betriebes durch den Erben oder dessen Abkömmling nicht sichergestellt sei.
3. Erbfolge nach dem BGB (Verkehrswert)
Kommt der Ertragswert für den landwirtschaftlichen Betrieb nicht zur Anwendung, so ist der Betrieb mit dem Verkehrswert zu bewerten. Auch hier wird regelmäßig das Gutachten eines Sachverständigen erforderlich sein. Regelmäßig dürfte der Erbe des landwirtschaftlichen Betriebes nicht in der Lage sein, die anderen Pflichtteilsberechtigten bzw. Erben auf der Grundlage des Verkehrswertes „auszahlen“, was regelmäßig zur Zerschlagung des landwirtschaftlichen Betriebes führen dürfte.
Der Erblasser kann die Erbfolge auf einen Erben ohne Belastung mit Erb- und Pflichtteilsansprüchen dann nur dadurch sicherstellen, indem er zuvor die anderen Erben / Pflichtteilsberechtigten zu entsprechenden Erb- und Pflichtteilsverzichten bewegt: Solche Erb- und Pflichtteilsverzichte kann der Erblasser aber regelmäßig nur gegen Zahlung entsprechender Geldbeträge erreichen. Ggf. verfügt der Erblasser aber auch noch über anderes / nicht landwirtschaftliches Vermögen, welches er den anderen Erben / Pflichtteilsberechtigten vererben kann, was ggf. auch ausreichen kann.
4. Ergebnis
Der Wunsch des Bauers / Landwirtes ist das eine. Wie sich das in der Praxis umsetzen lässt, das andere. Hier ist sicherlich eine umfassende Beratung und Abwägung im Einzelfall vorzunehmen.
Regelmäßig wird die Erbfolge nach der Höfeordnung die für den Hoferben „günstigere“ Lösung sein. In Einzelfällen kann aber auch eine Erbfolge nach dem Landguterbrecht die bessere Alternative sein. Teilweise können die o.g. Nachteile der jeweiligen Erbfolgen durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen ausgeglichen werden: So könnte z.B. auch bei Anwendung des BGB-Landguterbrechts im Übergabevertrag vereinbart oder im Erbvertrag / Testament angeordnet werden, dass eine Nachabfindungspflicht entsprechend der Höfeordnung besteht.
Verfasser / © Dr. Jobst-Ulrich Lange, Rechtsanwalt
Stand: 12/2023